Jahrzehnte lebte Alois Brunner, die rechte Hand Adolf Eichmanns, in Syrien. Erst jetzt werden Akten sichtbar, die zeigen, wer ihn deckte.

Dass Nazis andere Nazis vor einer Strafverfolgung zu bewahren suchen, entspricht den Umgangsformen unter Massenmördern. Das Gegenteil wäre überraschend. Und so ist es denn auch geradezu folgerichtig, dass der Verfassungsschutz über Jahrzehnte seine schützende Hand über einen der furchtbarsten NS-Täter gehalten hat. Schon früh wusste man im Kölner Amt, dass sich Adolf Eichmanns rechte Hand, Alois Brunner, nach Syrien abgesetzt hatte. Aber darüber schwieg man lieber, als es den Kollegen der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main mitzuteilen, die ein Verfahren gegen den Flüchtigen eröffnet hatten.

Es hat sich inzwischen herausgestellt, dass diese Art mörderischer Kumpanei in der Bonner Republik allgegenwärtig war, ob beim BND, im Auswärtigen Amt oder bei anderen Dienststellen – also eben auch beim Verfassungsschutz. Weite Teile gerade der Geheimdienste hatten sich aus NS-belastetem Personal rekrutiert. Deren Loyalität galt nur formal der neuen Demokratie. Sobald es um ausgeschiedene Bandenmitglieder ihrer terroristischen Vereinigung ging, waren Freundschaftsdienste angesagt, galt es doch, die alten Bande und damit die eigene Karriere zu stärken.

Die Bonner Republik ist schon vor langer Zeit nach Berlin umgezogen. Die alten Nazis sind längst gestorben, die in ihren Verstecken genauso wie die in ihren Amtsstuben. So wäre die ganze Affäre eigentlich eine Angelegenheit für Historiker. Doch der Verfassungsschutz hat bewiesen, dass das leider ein Irrtum ist.

Denn der Inlandsgeheimdienst hat mit allen Mitteln dagegen gekämpft, dass seine frühere Kumpanei zwischen Altnazis öffentlich wird. Dass das Amt diesen Streit nun verloren hat, ist ein gutes Zeichen. Dass der Verfassungsschutz aber überhaupt glaubte, dieses Geheimnis hüten und vor hartnäckigen Nachforschungen bewahren zu müssen, ist ein Signal, dass die Loyalitäten unter denjenigen, die das Grundgesetz schützen sollen, nicht ganz so eindeutig sind, wie man es erwarten sollte.

[…]