• JASN_DE@lemmy.world
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    4 months ago

    Jetzt werd ich wahrscheinlich wieder gekreuzigt weil für viele “Staat = automatisch böse”, aber persönlich finde ich das Geschreie nach “Aber aber aber Pressefreiheit” eher scheinheilig. Abs. 3 des Gesetzes bezieht sich ja explizit auf laufende Verhandlungen, niemand hat irgendwas von dauerhaft gesagt. Aber Klicks müssen ja irgendwoher kommen… Genauso ist das ürsprüngliche Ziel damit ganz gut abgedeckt, Vorverurteilungen und Beeinflussung von Zeugen etc. einzudämmen. Nicht, dass die Presse das nicht trotzdem machen würde. Und entweder die Gesetze gelten halt für alle, oder man kanns gleich lassen.

    Zynisch betrachtet ist auch die Berichterstattung hier genau das, der Versuch das Verfahren an sich schon schlechtzureden während es noch läuft, und die Angeklagten nach außen besser dastehen zu lassen.

    • Xakuterie@dormi.zone
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      4 months ago

      Argumentation gelesen?

      Nicht nur für Journalisten, auch für Fachautoren ist die aktuelle Rechtslage nicht immer klar: Wieviel darf ich für meine Leserschaft aus einem Gerichtsdokument zitieren, wann mache ich mich strafbar? Dass § 353d Nr. StGB die Strafbarkeit auf “wesentliche” Teile eines Dokuments begrenzt, erhöht die Unberechenbarkeit nur noch mehr, denn was genau “wesentlich”, hängt vom Einzelfall ab.

      Es geht nicht um “Staat = böse”, das ist grundsätzlich Blödsinn. Es geht um ein Gesetz welches ggf. mal an die Umstände angepasst werden sollte, weil die Welt sich eben ändert.

      Die Debatte um den § 353d Nr. 3 StGB hat auch deshalb noch einmal Fahrt aufgenommen, weil der BGH 2023 in seinem Urteil zu den sogenannten Olearius-Tagebüchern betonte, dass dem wörtlichen Zitat wegen seiner Belegfunktion ein besonderer Dokumentationswert für die journalistische Berichterstattung zukomme. In Zeiten von Fake News muss das Interesse an wahrheitsgetreuer und akkurater Berichterstattung besonders groß sein. Strafrecht, das kritische Berichterstattung zu Ermittlungsverfahren verhindert, ist ein Fremdkörper. Die Anklage gegen Arne Semsrott gerade in diesem Fall zeigt, dass die Norm schon lange nicht mehr zeitgemäß ist und abgeschafft werden sollte – am besten und schnellsten von unserem liberalen Justizminister.

      • rustydrd@sh.itjust.works
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        4 months ago

        Vielleicht erwähnenswert: Das Gesetz steht auch deshalb in der Kritik, weil es anderen Gesetzen widerspricht und bereits zu einigen merkwürdigen Entscheidungen geführt hat (z.B. eine durch das BVG bestätigte Anwendung, nach der ein Angeklagter mit einer zusätzlichen Strafe belegt wurde, weil er Auszüge seiner eigenen Anklage zitiert hatte, um gegen Falschbehauptungen über den laufenden Prozess vorzugehen).